Der Spatz

Aus dem Fundus der Kindergedichte von Sabine Rennwald

Ein junger Spatz fiel aus dem Nest
und landete im Hühnermist.
Ein Huhn, das grad des Weges lief,
schnell alle andern Hühner rief.
Und bald stand schon die ganze Schar
beim Spätzchen stumm versammelt da.
Der Kleine sah sich schüchtern um,
er piepste leise, schaute dumm,
und wusste nicht, was nun zu tun.

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Der Spatz auf dem Hühnermist

Da gackerte ein kühnes Huhn.
Es sprach ihn an und sagte:
"Warst du es, der es wagte,
so einfach in den Mist zu fallen?
Der Mist gehört uns Hühnern allen!"
Da dachte sich der kluge Spatz:
"Ich such mir einen schönren Platz."
Er hob die Flügel, und mit Kraft
hat er den Weg aufs Huhn geschafft.

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Empört war dieses über ihn,
die andren Hühner konnten fliehn.
Das Spätzchen hielt sich krampfhaft fest.
DAS gab dem armen Huhn den Rest.
Voll Panik fing es an, zu laufen,
geradewegs zum Kuhmisthaufen.
Dem Spatz stach der Gestank im Schnabel.
Er flog, so sagt es uns die Fabel
in wildem Flattern von dem Rücken,
um sich woanders umzublicken.

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Da saß er nun und war alleine,
vor Müdigkeit geknickt die Beine,
die Federn ganz zerzaust und dreckig,
der Schwanz zerrupft, die Flügel speckig.
Der Vogel spürte plötzlich Durst
und Hunger auf ne Würmerwurst.
Er sah sich um und sah dort mitten
auf einem Stein zwei, die sich stritten.
Zwei schöne, weißlich-gelbe Maden,
die eine wie ein Baumwollfaden,
die andre kurz und rund und dick,
an ihrem Schwanz ein leichter Knick.

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Der Spatz sah beide voller Wonne
- wie glänzten sie dort in der Sonne! -
Er fragte sie mit Listigkeite,
warum man sich so heftig streite.
Er tat ganz friedlich und ganz satt,
weil man von Klugheit sehr viel hat.
Die Maden, beide fest umschlungen
und fest verknotet, warn gezwungen
dem Spatz die Sache zu erklären,
doch dachten sie, sich zu vermehren,
denn mitten durch riss da die Dicke
und ging auf diese Art in Stücke.

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Drei Maden lagen jetzt zusammen,
die nicht mehr voneinander kamen.
Der Spatz machte dies Angebot:
"Ich will euch helfen in der Not.
Der Knoten dort, der ist zuviel,
und den zu fressen - Kinderspiel!"
Er zog daran, er zupfte ihn,
die Maden konnten nicht mehr fliehn:
Mit einem Ruck blieb nur zurück
ein kleines kurzes Madenstück.
Das dankte artig und verschwand
im groben, dunklen Ackerland.

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Auf diese Weise lebte Spätzchen
mal hier, mal dort, an manchem Plätzchen.
Es sonnte sich auf manchem Stein
und schlief dabei auch öfters ein.
Es lernte fliegen durch die Höhn
und fand das Leben wunderschön.
Doch eines Tages sah es sitzen
ganz hoch dort in den Tannenspitzen
ein Spatzenfräulein, nett und fein.
Der Vogel saß dort ganz allein.

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Dem Spatz wurd warm im kleinen Herz.
Er dachte sich: "Es ist jetzt März,
such ich mir eine Spatzenfrau,
beginnt auch bald der Nesterbau."
Er flog, damit er sie auch sähe,
auf jene Tanne in der Nähe
der Spatzenfrau, die sich dort sonnte
und ihn noch nicht erblicken konnte.
Der Spatz besah sie, fand sie gut,
und tat dann, was man halt so tut:

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Er hüpfte näher, sang, und lockte
das Weibchen, das noch still dort hockte.
Er kam heran und zupfte ihr
von ihrer Seit ein Läusetier.
Sie sah ihn an, tat erst verstört,
doch dann hat sie ihn angehört.
Denn er erzählte ihr viel Schmeicheleien
und auch, wie nett doch Kinder seien.
Des abends wusst er dann genau:
er hatte eine Spatzenfrau.

- 9 -

Am nächsten Tag begannen beide
mit Eifer, Lust und großer Freude
sich nach den Gräsern umzuschauen,
um draus ein hübsches Nest zu bauen.
Die Zeit verging, das Nestchen wuchs,
und - Gott sei Dank - das Ästchen trugs.
Die Vogelmutter legte fein
fünf Eilein in das Nest hinein.
Sie hielt sie warm und hielt dort Wacht
und saß darauf bei Tag und Nacht.
Nur selten flog sie schnell davon
und ließ zurück den Spatzenmann.

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In einem solchen Augenblick
geschah dann mal das Missgeschick.
Ein schwarzes, dickes Vogeltier
stürzte sich auf die Eier hier.
Der Spatz, ganz wild und bös vor Wut
verteidigte das Nestchen gut.
Er setzte sich, wie einst dem Huhn,
dem Untier auf den Rücken kühn,
weil er noch immer daran dachte,
wie einst das Huhn Spektakel machte.

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Doch ist ein solches Tier kein Huhn
und denkt deshalb auch nicht ans Fliehn.
Gerade als es kritisch wird,
kommt Spatzenmama angeschwirrt.
Ganz wütend stößt sie auf den Feind,
der jetzt doch recht erschrocken scheint,
weil plötzlich zweie ihn umfliegen
und ihn mit großem Mut bekriegen.
Auf diesem Grunde gab ers auf
und schwang sich in die Luft hinauf.

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Einst saß der Spatz mit seiner Frau
beim Nest, und sah dort ganz genau
wie plötzlich ein Ei sich bewegte
und sich ein wenig anders legte.
Die Vögel hörten leises Picken,
und von dem Eilein brach in Stücken,
die winzig klein warn, Schale ab.
Und diese fiel ins Nest hinab.
Ein Loch entstand und wurde weiter,
die Öffnung groß und immer breiter.
Das Ei zerbrach, und darin saß
ein Junges, noch verklebt und nass.

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Die Mutter putzte den noch Blinden
und wollt sich grad von diesem wenden,
als sie ganz deutlich jetzt vernahm,
dass noch ein zweites Vöglein kam.
Sie sah, dass jede Schale brach,
und noch drei Junge folgten nach.
Dann waren alle fünf geschlüpft.
Der Papa kam herangehüpft.
Er prüfte seine Kinderschar
und fand dieselbe wunderbar.

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Gleich find die Arbeit tüchtig an,
denn Würmer suchen musste man,
um sie, nachdem man sie zerkaut,
den Jungen im Schnabel verstaut.
Denn diese schreien immerzu
und lassen einem keine Ruh.
Die Kleinen, alle sehr verfressen,
warn ganz verrückt auf jedes Essen.
Bald wuchsen Federn, Kopf und Schwanz,
und dies im schönsten Jugendglanz.

- 15 -

Nun, eines Morgens ists geschehn:
Die Eltern habens nicht gesehn:
Ein junger Spatz fiel aus dem Nest
und landete zwar nicht im Mist,
doch fiel er in das weiche Gras,
wo er gleich eine Fliege fraß.

© Sabine Rennwald

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Der Spatz auf dem Hühnermist
 

 

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