NafokuNaturtagebuchApril 2009Ausflug an den Tüllinger Berg

Ausflug an den Tüllinger Berg

Naturtagebuch bei Nafoku am 19.04.2009


(Spazierweg auf dem Tüllinger Berg)

Wer eine alte Kulturlandschaft in ihrer Schönheit und ihrem Einklang mit der Natur erleben will, wie sie bis vor 50 Jahren noch leichter zu finden war, der sollte einmal einen Ausflug auf den Tüllinger Berg bei Lörrach machen!


Schafherde unter blühenden Obstbäumen

Wir sind heute sieben Stunden durch die dortigen ausgedehnten Streuobstwiesen gewandert, wo im Moment vieles in Blüte steht:

Nicht nur die alten Obstbäume, sondern auch die zum richtigen Zeitpunkt gemähten - und deshalb artenreichen - Wiesen.

 

Schaf mit Nachwuchs bei der friedlichen Siesta

Die Schafe halten einerseits die Landschaft von zu starker Verbuschung frei, und andererseits knabbern sie nicht überall gleichzeitig das Gras kurz.

Darin unterscheiden sie sich positiv von modernen Mähmaschinen und werden deshalb gerne in Naturschutzgebieten als naturverträgliche "Rasenmäher" eingesetzt.

 

Am Tüllinger Berg befindet sich das größte Zaunammervorkommen (Emberiza cirlus) Deutschlands. Dieser vom Aussterben bedrohte Vogel (Rote Liste 1) ist mit ein Grund dafür, dass der Tüllinger Berg zum FFH-Gebiet erklärt wurde und deshalb ein durch europäisches Schutzabkommen besonders geschütztes Flora-Fauna-Habitat darstellt.

 

Uralte Linden

Alter Baumbestand in einer historischen Kulturlandschaft:

Dazu gehören auch die beeindruckenden Linden auf der Kuppe des Berges, die den Betrachter in eine andere Zeit versetzen können.

Auf dem Tüllinger Berg gibt es einen ausgedehnten Lindenhain, wie ich ihn in seiner Schönheit und seinem Alter noch nie vorher gesehen habe.

 

Bilderbuch-Totholz

Aber auch Totholz, wie hier der gänzlich abgestorbene Baum, von dem nur noch der Stumpf übrig geblieben ist, hat eine wichtige Aufgabe in der Naturlandschaft:

Das vermeintlich tote Holz ist äußerst lebendig, weil es eine Unmenge von Käferlarven und anderen Kleinlebewesen enthält, die dem Specht und anderen Vögeln wiederum als wichtige Nahrungsquelle dienen.

 

Auf einer Orchideenwiese konnten wir hunderte von Blattansätzen der kommenden Orchideen entdecken. Außerdem war der Wald selbst voll mit blühenden Wilden Tulpen:


Wildtulpen - Tulipa sylvestris
 

(Weibchen des Prachtkäfers Anthaxia nitidula)

Auf einer anderen Wiese von der anderen Bergseite trafen wir Anthaxia nitidula, einen besonders hübschen Prachtkäfer, bei dem Männchen und Weibchen unterschiedlich gefärbt sind.

Bei dieser Art ist ausnahmsweise das Weibchen bunter und auffälliger als das Männchen gefärbt, die Männchen sind einfarbig grün.

Die Larven entwickeln sich mit Vorliebe in kleineren und abgestorbenen Ästen von Schlehe, Kirschbaum und Pflaume. In modernen Obstplantagen sind die Käfer nicht zu finden, selbst wenn es dort noch Totholz und abgestorbene Zweige gibt:

Zum Bestand brauchen nämlich nicht nur die Larven das Totholz, sondern auch die Käfer blütenreiche Wiesen, deren Blumen ihnen als Aufenthaltsort und Futterquelle dienen.

 

Gartenrotschwanz

Und schließlich konnten wir einen Gartenrotschwanz beobachten, Phoenicurus phoenicurus, der auf seiner Singwarte saß.

Der Gartenrotschwanz ist in seinem Bestand deshalb stark bedroht, weil er als Halbhöhlenbrüter und Höhlenbrüter kaum mehr Brutplätze findet, es sei denn wie hier am Tüllinger Berg, wo er noch passende Höhlen in alten Obstbäumen finden kann.

Die Art bewohnt hauptsächlich lichten Laubwald und alte Kulturlandschaften mit einem Wechsel von Wiesen und Obstbäumen, wie man sie hier auf dem Tüllinger Berg antrifft.

 

Trichodes alvearius Zottiger Bienenkäfer

Jetzt hätte ich doch fast glatt den Zottigen Bienenkäfer Trichodes alvearius vergessen, den haben wir natürlich auch noch am Tüllinger Berg gesehen.

Oberflächlich betrachtet sieht er dem Bienenwolf sehr ähnlich, erst bei näherem Hinsehen wird der Unterschied klar: bei dem einen ist der letzte Abschnitt der Flügeldecken rot, beim anderen schwarz.

 

Everes argiades

Schließlich möchte ich mich für heute mit dem Kurzschwänzigen Bläuling verabschieden, der so heißt, weil er an seinen Flügelenden ein winziges Zipfelchen hat.