Aus dem erstaunlichen Leben der Libellen

(Es gibt auch eine Fotoseite mit Libellen)

Aeshna cyanea, Wildtal 08.10.2005 Sympetrum flaveolum, Rheindamm bei Marlen 31.07.2005
Aeshna cyanea - Wildtal 08.10.2005 Sympetrum flaveolum - Rheindamm Marlen 31.07.2005

Der Körperbau der Insekten ist immer nach dem gleichen Grundprinzip angelegt. Der Körper ist dreigeteilt, also in Kopf (Caput), Brust (Thorax) und Hinterleib (Abdomen) unterteilt.

Der Kopf trägt die Facettenaugen, Augen die wie ein Mosaik je nach Insekt aus einigen hundert bis ca. 20.000 Einzelaugen zusammengesetzt sind. Je größer die Augen eines Insektes sind, umso besser kann dieses sehen. Libellen haben sehr große Augen, können also sehr gut sehen und zeichnen sich somit als Jäger aus, die ihre Beute auf Sicht jagen.

Neben den Facettenaugen haben einige Insekten noch Punktaugen, die meist lediglich das Insekt befähigen, hell und dunkel zu unterscheiden. Am Kopf sind noch die Kiefer und die Fühler.

Die Fühler werden einerseits, wie es schon der Name sagt, zum Tasten verwendet, aber Insekten riechen auch mit ihren Fühlern. Der Geruchsinn ist wichtig für die Partnerfindung. Viele Insektenweibchen verströmen Duftstoffe, sogenannte Pheromone, die es den Männchen ermöglichen, die Weibchen über den Geruchssinn zu finden. Je größer die Fühler sind, umso ausgeprägter ist der Geruchssinn.

Da die Fühler der Libellen so klein sind, dass man sie fast nicht sieht, kann man davon ausgehen, dass der Geruchs- und Tastsinn bei Libellen nur eine untergeordnete Rolle spielt.

An der Brust sind die Beine und, so weit vorhanden, die Flügel angebracht. Insekten haben immer sechs Beine und vier Flügel, sofern Flügel vorhanden sind. Die Beine sind in der Regel Klammer- und Lauforgane.

Bei den Libellen sind die Beine alle mehr oder minder nach vorne gerichtet. Sie bilden einen "Fangkorb", mit dem die Beute in der Luft gefangen und festgehalten wird. Außerdem können sie sich mit ihren Beinen noch an einer Unterlage festhalten. Die Flügel ermöglichen den Libellen das Fliegen, wobei die Großlibellen hier wahre Virtuosen sind. Sie können schnell fliegen (bis zu 60 km/h), Loopings drehen, enge Kurven und sogar kleine Strecken rückwärts. Ein erblicktes Beutetier hat somit fast keine Chance, einer Großlibelle zu entkommen.

Am Hinterleib sind die Stigmen, die Öffnungen des Tracheensystems vorhanden, außerdem bei den Männchen noch die Cerci (Cerci sind die gekrümmten, klammerartigen Anhänge der Männchen, mit denen sie bei der Paarung die Weibchen im Nackenbereich festhalten). Auf die Atmung wird später eingegangen. Eine Verständigung der Libellen in diesem Sinne gibt es nicht.

Libellen können sehr gut sehen. Die Männchen der Großlibellen haben am Gewässer Reviere, die erbittert verteidigt werden. Dringt ein Konkurrent in das Revier ein, kommt es zu einem wenige Sekunden dauernden Luftkampf. Der Verlierer entfernt sich dann ganz schnell.

Bei den Großlibellen der Gattung Aeshna, Cordulegaster und Anax patrouillieren die Männchen immer nur für wenige Minuten am Ufer eines Gewässers und entfernen sich dann, um den Platz einem anderen Männchen frei zu machen. Das erklärt auch, warum man an einem Gewässer relativ wenige Individuen antrifft, obwohl nach den Larvenhäuten einige hundert Libellen da sein müssten.

Um etwas über die Lebensumstände von Libellen auszusagen, sollte man einfach mal das Leben einer einzelnen Libelle betrachten. Hierfür eignet sich die Blaugrüne Mosaikjungfer (Aeshna cyanea) recht gut, da sie auch heute noch an fast jedem Stillgewässer vorkommt.

Libellen sind stark an das Wasser gebunden, da sich ihre Larven im Wasser entwickeln, so dass man die Blaugrüne Mosaikjungfer auch am ehesten in Gewässernähe antrifft.

Die Männchen dieser Art patrouillieren das Gewässerufer nach Weibchen ab. Erblicken sie ein Weibchen, so wird dieses regelrecht überfallen. Das Männchen ergreift das Weibchen mit den Beinen, heftet sich mit den Cerci des Hinterleibes im Bereich zwischen Kopf und Brust an. Das Weibchen seinerseits biegt seinen Hinterleib nach vorne und heftet das Ende im unteren Bereich der Brust des Männchens an. Auf diese Art und Weise bilden sie das für alle Libellen typische Paarungsrad. Das Paarungsrad kann, je nach Libellenart, bis zu sechs Stunden halten. Dabei sitzen die Libellen irgendwo im Dickicht.

Bei Störung fliegt das Männchen auf, wobei das Paarungsrad erhalten bleibt und somit das Männchen das Weibchen mitnimmt. Bevor es zur Übertragung der Samen kommt, räumen die Männchen die Samentasche des Weibchens leer, um sicher zu gehen, dass nur ihr Samen die Eier des Weibchens befruchtet und nicht noch Samenreste eines Vorgängers vorhanden sind. Dann erfolgt die Übertragung des Samens. Nach der Paarung trennen sich Männchen und Weibchen. Bei anderen Libellenarten bleibt das Paar aber weiterhin zusammen.

Die Männchen der Gattung Coenagrion halten das Weibchen weiterhin mit den Cerci fest, wobei aber das Paarungsrad aufgelöst wird und ein sogenanntes Tandem entsteht.

Andere Libellenmännchen bleiben in der Nähe des Weibchens und achten darauf, dass keine anderen Männchen irgendwelche Paarungsversuche unternehmen, so z.B. bei der Vierflecklibelle (Libellula quadrimaculata). Allerdings lässt hier nach einiger Zeit das Interesse nach und das Männchen entfernt sich vom Weibchen.

Die Weibchen der Blaugrünen Mosaikjungfer legen ihre Eier in feuchte bis nasse Substrate im oder am Wasser. Das kann Moos sein, es kommen aber auch nasse Hölzer oder Haufen aus angespülten Pflanzenteilen u.ä. in Frage (andere Libellen verwenden durchaus andere Substrate).

Lestes viridis - Weidenjungfer - legt seine Eier in die Rinde von Weiden- oder Erlenzweigen, die über das Wasser ragen, bei den Schlanklibellen - Gattung Coenagrion - kriechen die Weibchen an Wasserpflanzen herab unter Wasser und stechen ihre Eier in die Wasserpflanzen ein. Oftmals schafft es das Weibchen nicht ohne die Hilfe des Männchens, welches das Weibchen ständig mit den am Hinterleib befindlichen Cerci am Nacken festhält, aus dem Wasser raus zu kommen, die Segellibellen - Familie Libellulidae - machen es sich ganz leicht und werfen die Eier einfach im Flug ins Wasser).

Nach ca. zwei bis drei Wochen schlüpfen die Larven. Um überhaupt im Wasser leben zu können, mussten die Libellen einige Probleme überwinden. Das größte Problem ist die Sauerstoffversorgung. Hierfür haben Libellenlarven ihre sogenannten Tracheenkiemen. Bei den Kleinlibellen befinden sich diese am Hinterleibsende in blattähnlichen Fortsätzen, bei den Großlibellen sind diese im Hinterleib und werden ständig mit frischem Wasser versorgt. Der Sauerstoff wird dann aus dem Wasser herausgefiltert und an die Tracheen, das Atemsystem der Libellen, weiter gegeben.

Die Tracheen sind ein weit verzweigtes Netz aus Röhren, die durch den gesamten Insektenkörper verlaufen und den Sauerstoff direkt an die Muskulatur liefern, also ein gänzlich anderes System als z.B. bei Säugetieren, wo der Sauerstoff über das Blut transportiert wird.

Bei den Larven der Großlibellen kann die Tracheenkieme noch bei der Flucht helfen, indem die Larve das im Hinterleib vorhandene Wasser schlagartig nach hinten heraus drückt und somit wie eine Rakete durch das Wasser treibt.

Libellenlarven leben räuberisch, d.h. sie machen Jagd auf kleinere und größere Insekten, Kaulquappen und Molchlarven, aber auch junge Fische werden hier und da schon mal die Beute einer großen Libellenlarven. Libellenlarven haben für die Jagd eine sogenannte Fangmaske. Das ist ein Klappmechanismus auf der Unterseite des Kopfes, der wie eine Feder vor schnellt und mit den am Vorderende befindlichen beweglichen Dornen die Beute packt.

Die Larven sind alle Ansitzjäger, d.h. sie lauern im dichten Pflanzengewirr auf Beute. Nähert sich ein Beutetier, so sieht die Larve dieses aufgrund seiner Bewegungen recht gut. Langsam dreht sie sich mit ihrem Kopf in Richtung des Beutetieres und wartet, bis dieses bis auf etwa ein bis zwei Zentimeter an die Libellenlarve herangekommen ist. Dann schnellt die Fangmaske vor, ergreift die beute zielsicher und zieht sie an die Kiefer heran, um sie auszufressen.

Die Entwicklung der Libellenlarven dauert, je nach Art, ein bis vier, eventuell sogar fünf Jahre. Bei den Kleinlibellen ist die Entwicklung in der Regel nach einem Jahr abgeschlossen, im Höchstfall zwei, bei den Großlibellen dauert die Entwicklung in der Regel zwei bis drei Jahre.

Bei einige wenigen Großlibellen, den Quelljungfern - Gattung Cordulegaster - entwickeln sich die Larven in kalten, nährstoffarmen Quellgewässern, so daß die Larven hier vier bis fünf für ihre Entwicklung benötigen, in Gebirgsquellen kann die Entwicklung, aufgrund des sehr kurzen Sommers auch bis zu sieben Jahre dauern.

Zum Ende der Entwicklung verlassen die Larven das Wasser. Dies geschieht in den frühen Morgenstunden, da hier weniger Fressfeinde (z.B. Vögel) aktiv. Die Larve muß sich an einem Grashalm oder einem Ast festklammern. So verharrt sie scheinbar absolut regungslos eine lange Zeit, teilweise bis zu drei, vier Stunden. Im Innern vollzieht sich aber eine Verwandlung. Die Hülle der fertigen Libelle wird entwickelt und eine Flüssigkeit zwischen alter und neuer haut angesammelt, damit die neue Haut nicht an der alten festklebt. Nachdem dieser Prozess abgeschlossen ist, pumpt die Larve Körperflüssigkeit in die Brust. Die Brust quillt dadurch auf und die vorhandenen Sollbruchstellen platzen auf. Langsam zieht sich die Libelle aus der alten Larvenhülle heraus. Schließlich hängt sie oberhalb der Larvenhülle und beginnt, Flüssigkeit in die noch weichen und kleinen Flügel zu pumpen. Langsam strecken sich die Flügel.

Der Vorgang ist nach etwa einer halben Stunde abgeschlossen. Nun müssen die Flügel und die Haut noch trocknen und aushärten, was noch mal etwa eine Stunde dauert, bevor die Libelle sich zum ersten mal in die Luft erheben kann. Auffallend ist, dass die Flügel der Libellen in den ersten Tagen stark glänzen. Außerdem ist der Körper noch nicht ausgefärbt und die Farbe bildet sich erst in den nächsten Tagen richtig aus, so dass die Libelle anfänglich sehr blass und unscheinbar wirkt.

Bei den Weibchen einiger Segellibellen - Familie Libellulidae - verfärben sich die Weibchen im Alter allmählich und sie sehen mehr und mehr wie die Männchen aus. Die Männchen haben eine blaue Wachsbereifung, die sich langsam auch bei den Weibchen einstellt.

Nach dem Schlupf der Libelle, nachdem sie aufgeflogen ist, bleibt die alte Larvenhülle zurück und man kann diese sammeln und anhand dieser Häute die Libellenarten eines Gewässers bestimmen. Man nennt die letzte Larvenhaut auch Exuvie.

Libellen sind Räuber und haben für uns Menschen eine gewisse Bedeutung, die in ihrem Beuteverhalten liegt. Vor allem die großen Arten sind so flugtüchtig, dass man sie oft weit weg von jedem Gewässer sehen kann. Besonders in den Abendstunden kann man immer wieder Libellen beobachten, die im Garten, etwa auf Kronenhöhe von Bäumen und Büschen hin und her fliegen. Diese Libellen machen Jagd auf die in den Abendstunden fliegenden Mücken und verzehren diese sofort im Flug, so dass während der abendlichen Jagd etliche Mücken vertilgt werden können.

Außerdem sind Libellen, je nach Art, auch Zeigetiere für den Zustand eines Gewässers. Wo immer Libellen vorkommen, muss ein Gewässer in mehr oder minder gutem Zustand, also die Wasserqualität relativ gut sein, da Libellen entsprechend saubere Gewässer benötigen.

Allerdings haben einige Arten eine große Toleranzschwelle, so z.B. Aeshna cyanea, die Blaugrüne Mosaikjungfer, oder Libellula quadrimaculata, Vierflecklibelle, die beide auch mehr oder minder eutrophierte Gewässer, also Gewässer mit hohem Stickstoffanteil, wie sie in unseren Agrarlandschaften überall vorkommen, tolerieren.

Zum Schluss soll noch dem Vorurteil, dass Libellen stechen können, ein Ende bereitet werden. Libellen können definitiv nicht stechen. Zwar haben die Weibchen, besonders die der großen Arten, einen schwarzen, gekrümmten, stark chitinisierten Dorn am Hinterleib, der sicherlich rein theoretisch zum Stechen geeignet wäre, aber die Libelle hat erstens keine Muskulatur und somit auch keine Kraft zur Ausführung eines Stiches, und zweitens ist die Krümmung dieses Dornes gänzlich ungeeignet, um einen Stich ausführen zu können. Bei diesem Dorn handelt es sich um den Legebohrer, mit dem die Eier in entsprechendes Substrat abgelegt werden.

Etwas anders sieht es bei den Larven einiger Großlibellen aus. Diese können zwar auch nicht aktiv stechen, aber es kann durchaus unangenehm werden, wenn man eine solche Larve auf der Hand hat. Die Larven haben an den Seiten des Hinterleibes Kiele, die sich auch mehreren Dornen zusammensetzen. Dieser Kiel soll eigentlich die Aerodynamik des Körpers erhöhen.

Holt man nun eine Libellenlarve aus dem Wasser, so beginnt sie unvermittelt, sich zu winden, um sich von allem zu befreien, dass sie an einer ungestörten Fortbewegung hindern könnte. Hierfür krümmt sie ihren Hinterleib und die Spitzen der Dornen ragen über den Kiel hinaus. Wenn man die Larven in solch einem Moment in der Hand hat, dann kann es durchaus sein, dass sich so ein Dorn eher zufällig in die Hand bohrt. Der Schmerz ist aber nicht sonderlich groß, also erträglich, und man kann nicht behaupten, dass die Larve den "Stich" bewusst ausgeführt hätte. Für sie war der Sinn einfach ein anderer, und der Effekt ist nur eine unangenehme Begleiterscheinung für uns.

(Text von einem Freund, der nicht genannt werden möchte.)



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