Der Nestbau der Lehmwespe Delta unguiculatus

Naturbeobachtungen unter meinem Fensterrahmen

im Naturtagebuch bei Nafoku am 21.06.2000

Meine erste Maus-Zeichnung von der Wespe
21.06.2000, erster Tag:

Das ist meine erste kleine Skizze von der Wespe, die ich heute an unserer Hauswand nestbauend entdeckte. Leider sitzen die Flügel auf der Zeichnung falsch: Sie gehören natürlich an den Leib der Wespe! Mittlerweile habe ich per E-Mail eine wesentlich bessere Zeichnung erhalten. Vielen Dank, Helene!

Vielen Dank an Helene, die mir die Wespe noch einmal wesentlich gekonnter gezeichnet hat!

Schon letztes Jahr war mir an der Außenwand des Hauses eine auffällig große und schlanke Wespe aufgefallen, die kleine Lehmteilchen an der Mauer befestigte, dann aber wohl gestört wurde und ihren angefangenen Bau alleine ließ. In diesem Jahr habe ich das Glück, dass eine solche Wespe direkt unter meiner Fensterbank anfängt, ein kleines Nest zu bauen. In den nächsten Tagen möchte ich regelmäßig nach dem Fortschritt schauen und Fotos mit den Neuigkeiten auf diese Seite bringen.

Aussehen: Sehr große Wespe, schlank, ca. 3 cm lang. Gelb-schwarz gestreifter Hinterleib, erstes Hinterleibsglied rotbraun. Sehr dünner, kolbenförmiger Verbindungsteil zum runden Körper, der ebenfalls rotbraun ist. Durchscheinende, hellbraune Flügel, die leicht fransig aussehen.

Verhalten: Die Wespe beginnt, aus einer Lehmmasse einen halbkreisförmigen Ring zu bauen. Sie kommt innerhalb kürzester Zeitabstände wieder, um die Lehmzelle zu vervollständigen. Sie arbeitet bis zum Dunkelwerden um ca. 22:00 Uhr daran. Die Lehmzelle befindet sich direkt unter meiner Fensterbank, so dass ich sie nur unter Schwierigkeiten fotografieren kann, indem ich mich weit aus dem Fenster lehne und dabei aufpassen muss, dass weder meine Kamera noch ich aus dem Fenster fallen ;-)

Erstes Foto: Die Wespe bei der Arbeit Erstes Foto der Zelle: Am frühen Morgen ist das erste Töpfchen fast fertig
21.06.2000, 20:11 Uhr:
Beginn des Nestbaus
22.06.2000, 10:20 Uhr:
Die Lehmzelle

22.06.2000, zweiter Tag:

In einem meiner Bücher habe ich Beschreibung und Fotos zu der Wespenart entdeckt, die zu meinem Mauergast passen. Ich lese in dem Buch "Wespen beobachten, bestimmen" von Rolf Witt auf S. 200 (erweiterter Text):

Delta unguiculatus (Villers, 1798), Familie Vespidae - Faltenwespen:
  1. Merkmale: Weibchen 20 - 26 mm, Männchen 16 - 20 mm. (die größte mitteleuropäische Eumenide).
  2. Lebensraum: Sonnenexponierte, frei gelegene Steine und Mauern, Verbreitungsschwerpunkt im Siedlungsbereich.
    Delta unguiculatus heftet ihre Lehmnester an Steine, Mauerwerk, Putz oder Beton, wobei aufgerauhte, helle Oberflächen bevorzugt werden. Die Nester werden mit Vorliebe an höher gelegenen Stellen gebaut. Nistplätze wurden an Häusern selbst bis in Höhen von über 15 m festgestellt (was ich hier im obersten Stockwerk voll bestätigen kann!).
  3. Beim Nestbau werden häufig Gruppen von bis zu 7 Zellen angelegt, das Weibchen überzieht die vollendete Zellgruppe noch mit einem Mörtelmantel, so dass die Anlage wie ein angetrockneter Lehmklumpen aussieht.
  4. Als Beute werden zwei bis drei Eulen- oder Spannerraupen eingetragen. Schon nach 12 Tagen ist der Nahrungsvorrat aufgezehrt und die Larven spinnen einen Kokon. Von den Beutetieren bleiben die ausgesaugten Raupenhäute übrig.
  5. Verbreitet in SW-D. Die Nester der imposanten Wespen sind einem erhöhten Zerstörungsrisiko durch den unwissenden Menschen ausgesetzt.

Quelle: Witt, Rolf: Wespen beobachten, bestimmen. NaturBuch-Verlag, ISBN 3-89440-243-1, DM 58,00.


Heute hat sich das Wetter geändert, und die Temperatur ist von gestern fast 40 Grad Celsius auf ca. 25 Grad gefallen. Der Himmel ist bewölkt, es regnet zwischendurch ein bisschen, und die Wespe ist im Moment nicht zu sehen!

23.06.2000, dritter Tag:

Das Wetter hat sich noch mehr verschlechtert, es ist kühl geworden, und die Wespe ist bis jetzt nicht mehr aufgetaucht.

24.06.2000, vierter Tag:

Es regnet in Strömen. An der Lehmzelle gibt es keine Veränderung, die gebaute Zelle ist zwar fertig, aber immer noch oben offen.

25.06.2000, fünfter Tag:

Es regnet und ist kühl. Ich mache mir Gedanken und schreibe an einen Freund:

Was machen eigentlich Wespen, wenn es regnet?? Ich hab mir gedacht, sie muss doch irgendwo wohnen, auch während sie solche Lehmzellen baut. Und die Wohnung muss ja woanders sein. Wenn sie ein Solitärtier ist, wohnt sie wohl nicht in einem Wespennest.

Er antwortet mir:

Regen und kaltes Wetter ist für Wespen, bzw. für Insekten allgemein, nicht so gut. Es kostet schon unendlich viel Energie, wenn die kleinen Viecher ihre Flugmuskulatur auf Betriebstemperatur bringen sollen. Wenn sie dann auch noch anfangen, nach Futter für die Nachkommen zu suchen und ein Nest weiter bauen, dann riskieren sie im Prinzip zu verhungern, weil sie sicherlich kein Futter für sich selbst finden. Abgesehen davon begeben sie sich natürlich in die Gefahr, von einzelnen Regentropfen "abgeschossen" zu werden.

Also suchen sie sich ein Versteck, was meistens unter Steinen, unter loser Rinde oder einfach unter Blättern ist, wo sie vor Regen und vor direktem Wind geschützt auf besseres Wetter warten.

Wenn es trockener und vor allem wärmer wird, dann wirst du deinen Mauerbesucher sicherlich wiedersehen.

:-)

30.06.2000, zehnter Tag:
In den letzten Tagen war zwar sonniges Wetter, aber ein frischer Wind. An der Lehmzelle gab es die ganze Zeit keine Veränderung.

Heute ist es wieder richtig warm, und als ich mittags von der Arbeit nach Hause kam, saß neben der ersten Lehmzelle eine zweite!

Die Lehmzellen sind erweitert worden um eine zweite, die kleineren dunklen Flecken sind ganz frischer Lehm Die Wespe scheint mit Vorliebe am Abend und in den frühen Morgenstunden zu bauen
30.06.2000, 20:40 Uhr:
Weitere Zelle fertig
30.06.2000, 20:41 Uhr:
Dunkle Partien neu!

02.07.2000, letzter Tag:

Vorgestern hatte ich die Wespe das letzte Mal gesehen. Heute nun entdeckte ich, dass die zuerst gebaute Lehmzelle zerstört wurde und ganz offen ist. Wahrscheinlich hat ein Vogel den Bau entdeckt und einen Leckerbissen unter dem Lehm vermutet.

Hier kann man sehen, dass es die Insekten gar nicht so leicht haben, und besonders, wenn sie solitär leben und so wie diese Wespe, ihr Nest ganz allein bauen, die Chance gering ist, dass sie bis zum Ende kommen, ohne von ihren Feinden vernichtet zu werden.


Der letzte Besuch meines Mauerbewohners Das ausgeräuberte (?) Nest
30.06.2000, 20:30 Uhr:
Der letzte Besuch
02.07.2000, 11:07 Uhr:
Das ausgeräuberte Nest

Ende der Geschichte

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